Rede zur Preisverleihung des Göttinger Friedenspreises 2019 


Liebe Gäste,

"Israel, Palästina und die Grenzen der Meinungsfreiheit" lautet der Vortrag von Andreas Zumach, Preisträger des Göttinger Friedenspreises 2009 und Jury- Vorsitzender für die Verleihung dieses Preises. Zu dieser Veranstaltung des ‘Göttinger  Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern‘ begrüße ich Sie ganz herzlich auch im Namen meiner Lebensgefährtin Gisela Hyllus, Galeristin und  Besitzerin der Galerie Alte Feuerwache sowie der Galerie Art Supplement.
In Anbetracht der Ereignisse bitten wir um Verständnis für eine persönliche Stellungnahme:
Der heutige Vortrag muss auch im Kontext mit der bevorstehenden Preisverleihung des Göttinger Friedenspreises der Stiftung Dr. Roland Röhl gesehen werden.   Aufgrund des Rückzugs der drei institutionellen Unterstützer des Friedenspreises – Georg-August-Universität, Stadt Göttingen und Sparkasse Göttingen - haben wir uns bereit erklärt, unsere Galerieräume auch für die am Samstag stattfindende Preisverleihung zur Verfügung zu stellen.
Einseitige Parteinahme aufgrund dieser Veranstaltungen 
kann man uns gewiss nicht unterstellen, 
zumal wir auch der jüdischen Gemeinde wiederholt ein Forum geboten haben für die Durchführung von Veranstaltungen, die auch uns ein Anliegen waren, zum Beispiel:

„Die Kunst der Erinnerung – Ausstellung von Bronzeplastiken 
des Holocaust-Überlebenden Samuel Willenberg“ (10.-25.Juni 2009), oder

„Der Holocaust im Bild: Künstlerische Auseinandersetzungen vor und nach 1945“ - Vortrag der Historikerin Christiane Heß (13.01.2009), 

oder die von der jetzt in Göttingen lebenden Zeitzeugin Lea Sorina und der hiesigen jüdischen Gemeinde initiierte und zusammengestellte 
„Ausstellung zur Erinnerung an die Opfer im belagerten Leningrad von 1941 bis 1944“ (20.01.- 02.02.2014), die im Rahmen der Bündnisreihe 
'Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus' gezeigt wurde.

Von einseitiger Parteinahme kann demnach keine Rede sein.

Der Bitte der Veranstalter, Vortrag und Preisverleihung in unseren Galerieräumen durchführen zu können, haben wir, wie 2016 anlässlich der Nakba-Ausstellung „Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“, aus Überzeugung entsprochen; nicht nur aufgrund der ausführlich begründeten Entscheidung der Jury 
und einer Welle der Unterstützung für den kritisierten Preisträger.   

Es ist nicht allein der immense Zuspruch für die angekündigte Auszeichnung 
der „Jüdischen Stimme“; 
das an uns gerichtete Schreiben einer MBAI – 
(Münchner Bürger gegen Antisemitismus und Israelhass) sich nennenden Gruppe – 
hat uns zusätzlich ermutigt, ein Zeichen zu setzen 
und standhaft in unserer Entscheidung zu bleiben; 
steht dieser Brief doch in Zusammenhang mit der im Jahre 2016 
von der israelischen Regierung beschlossenen “anti-BDS“-Kampagne, 
über die die emeritierte Professorin Dr. Fanny-Michaela Reisin, 
Mitbegründerin der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, 
in einem beeindruckenden 9-seitigen Offenen Brief 
an die Universitätspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Beisiegel informiert. 

Der kürzlich ernannte Außenminister Yisrael Katz „wusste schon damals 
öffentlich kundzutun, dass Israel sich die 'gezielte zivile Eliminierung' 
('civil targeted elimination') von BDS-Führern 
mit Hilfe der Geheimdienste vorbehalten müsse“. 
Im Mittelpunkt solcher Umtriebe steht laut Fanny-Michaela Reisin 
"die Vereitlung der Überlassung von Räumen zur Durchführung von Veranstaltungen, die z.B. die israelische Militärbesatzung palästinensischer Territorien oder 
den israelischen Siedlungsbau auf besetztem Gebiet ... zum Thema haben. ...
Städtische und kirchliche Institutionen werden massivem Druck unterzogen, 
bis sie sich entschließen, sogar vertraglich zugesicherte Räume aufzukündigen, 
um einem etwaigen Ruf als Antisemiten zu entgehen. 
Solcherart „Eliminierungskampagne“ findet in großem Maßstab weltweit 
und nicht zuletzt auch hierzulande, etwa in München, Heidelberg oder Frankfurt statt.“

An dieser Stelle möchte ich Ihnen das oben erwähnte Schreiben 
der Münchner MBAI- Gruppe zur Kenntnis geben: ...

„Gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Eintreten für die Rechte der Palästinenser generalis als antisemitisch?“, fragen wir mit Fanny-Michaela Reisin.

Mit der Bereitstellung unserer Galerieräume wollen wir einen Beitrag leisten zu einem öffentlichen demokratischen Diskurs. Es ist nicht hinnehmbar, der Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ die im Grundgesetz verbriefte Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu versagen. 
Wir wünschen uns eine Bereitschaft zu sachlicher Diskussion 
und konstruktivem Dialog, vor allem in friedlicher Atmosphäre 
und mit Respekt für unterschiedliche Meinungen.